Vielleicht sind es nicht ganz so viele, aber kommt euch die Frage „Bist du eigentlich gekommen?“ auch bekannt vor. Wir haben den Eindruck, dass das, was für uns selbst in dem Moment vielleicht unübersehbar bzw. -hörbar zu sein scheint, nämlich dass wir gekommen sind, für das Gegenüber doch nicht so eindeutig zu sein scheint.
Jede Frau, wie auch wohl jeder Mann, hat ihre eigene Art den Höhepunkt zu erleben. Die einen sind lauter, die anderen leiser, die einen bewegen sich mehr, die anderen weniger. Gerade, wenn sich zwei Menschen noch nicht so gut kennen, ist diese Frage „Bist du eigentlich gekommen?“ daher also auch nicht ganz verwunderlich.
Um das Ganze noch etwas komplizierter zu machen, hat Frau auch noch unterschiedliche Arten des Orgasmus und gibt es daher wohl auch nicht nur eine Art und Weise, wie der*die Partner*in diesen wahrnehmen kann.
Wie viele unterschiedliche Arten des Orgasmus gibt es?
Unsere ehrliche Antwort: keine Ahnung. Die Literatur hat zu dieser Frage auch viele verschiedene Antworten, daher erlauben wir uns an dieser Stelle auch, einfach keine abschließende Antwort zu geben.
Wir haben aber auf Instagram eine kleine Umfrage gestartet, wie viele Arten des Orgasmus unsere weiblichen Follower haben und was die Gründe für die unterschiedlichen Höhepunkte sind.
Die Antworten reichten von bis zu 7 unterschiedliche Orgasmen und die Art und Weise hing z. B. davon ab, ob der Orgasmus beim Masturbieren oder im Liebesspiel mit dem*der Partner*in erlebt wird. Aber auch die Position, Zeitpunkt im Zyklus, die emotionale Verbindung zum*zur Sexualpartner*in als auch das Maß an körperlicher Spannung spielen für die Befragten eine Rolle.
Was sagt die Wissenschaft dazu?
Als erstes steht hier die Frage im Raum, sprechen wir über den „Ort“, durch dessen Stimulation der Orgasmus ausgelöst wird, also anal, klitoral oder auch Brustwarzen oder sprechen wir über die „Art“ der Stimulation, die zum Orgasmus führt, also Druck, Reibung oder auch Entspannung. Art und Ort scheinen häufig in der Literatur nicht genau unterschieden zu werden.
Ein Orgasmus ist ein Orgasmus ist ein Orgasmus.__Betty Dodson
Würden wir uns an den guten alten Psychoanalytiker Sigmund Freud halten, müssten wir von zwei Arten des Orgasmus in Bezug auf den „Ort“ bei der Frau ausgehen, dem vaginalen und dem klitoralen. Da Freud den klitoralen Orgasmus allerdings zu einem unreifen Orgasmus und nur den vaginalen zu einem, sexuell gesehen, gesunden Orgasmus erklärt hat, hätten wir heute wohl auch eine erhöhte Anzahl Frauen, die sich in Therapie begeben müssten.
Die amerikanische Sexualwissenschaftlerin Lou Paget spricht von 10 unterschiedlichen Orgasmen und die kürzlich verstorbene Sexforscherin Betty Dodsen sagt schlicht „Ein Orgasmus ist ein Orgasmus ist ein Orgasmus“.
Eine Auswahl der möglichen Orgasmen
- Klitoraler Orgasmus
Der wohl bekannteste und für die, mit Klitoris ausgestatteten Personen wohl auch die wahrscheinlichste Art durch deren Stimulierung zum Orgasmus zu kommen. - Vaginaler Orgasmus
Neuere Untersuchungen gehen davon aus, dass der vaginale Orgasmus ein versteckter klitoraler Orgasmus ist, da die Klitoris nicht nur dieser kleine wohlbekannte Punkt ist, sondern sich durch ihre Anatomie über ein weitaus größeres Gebiet erstreckt und bei der vaginalen Penetration mit stimuliert wird. - Analer Orgasmus
Einigen ist Analsex eher unangenehm, andere haben große Freude daran und können auch hierbei zum Orgasmus zu kommen. Analsex kann also extrem viel Spaß bereiten, sollte aber immer mit viel Gleitgel und einem langsamen Dehnen der analen Muskulatur verbunden sein. - G-Punkt Orgasmus
Ob es ihn gibt oder nicht, lassen wir an dieser Stelle mal unbeantwortet. Jedoch berichten ca. 30% der Frauen, dass die Stimulation des leicht geriffelten Bereichs der inneren, vorderen Vagina-Wand zu viel Vergnügen und intensiven Orgasmen führe. - U-Orgasmus
Der Urethra Orgasmus, ist der Orgasmus, der durch die Stimulation der Harnröhre erlebt werden kann. Eine Erklärung hierfür könnte jedoch auch sein, dass die Harnröhre durch die Klitoris umgeben ist, und dieser Bereich bei Stimulation anschwillt, stärker durchblutet wird und somit auch zum Orgasmus führen kann. - Nipple Orgasmus
Wie empfindsam wir Frauen an unseren Brustwarzen sind, ist sehr unterschiedlich. Die einen erleben bei Stimulation der Brustwarzen so viel Erregung, dass die im Orgasmus enden kann. Andere Frauen finden die Stimulation vielleicht schön, statt in den Orgasmus geht bei ihnen aber das Empfinden eher in Schmerz über als in einen Orgasmus. - A-Punkt Orgasmus
Ein weiterer nicht wirklich bestätigter Punkt zwischen G-Punkt und Gebärmutterhals, der der Frau noch mehr Freude bereiten soll als der G-Punkt selbst. - Gemischter Orgasmus
Als „gemischter Orgasmus“ wird ein Orgasmus bezeichnet, der durch die Stimulation mehrerer erogener Bereiche geschieht. Letztlich die wahrscheinlich häufigste Art zum Orgasmus zu kommen. Denn laut der australischen Urologin Helen O´´Connell umspannt die Klitoris ein weitaus größeres Gebiet als bisher angenommen und ist sogar größer als der Schwellkörper des Mannes.
Daher werden durch die erhöhte Durchblutung und das Anschwellen der gesamten Klitoris auch andere Bereiche wie z. B. Harnröhre und Anus stimuliert. Oder anders herum gesagt, durch die Stimulation von z. B. Anus oder Harnröhre wird eigentlich die Klitoris stimuliert.
Warum ist die Kommunikation so wichtig?
Manchmal sind die Orgasmen je nach Position und Stimulation unterschiedlich, so kann der Orgasmus in einer bestimmten Position als sehr intensiv erlebt werden, während er in einer anderen Position oder auch z. B. beim Oralsex einfach anders sein kann. Vielleicht deshalb auch manchmal die Frage „Bist du eigentlich gekommen?“, weil der Höhepunkt von der*dem Partner*in in dem Moment nicht so deutlich wahrgenommen werden kann, wie vielleicht bereits in anderen Positionen oder Konstellationen erlebt.
Auch wenn unsere innere Erstreaktion vielleicht eher einen Satz wie „Wie, das hast du nicht gemerkt?“ oder „Nein, ich war nur kurz davor“ beinhalten könnte, sollten wir uns darüber im Klaren sein, dass letztlich eben niemand in uns hineinschauen kann. Wir wissen selbst am besten was und wie wir was erleben, also ist auch hier Kommunikation der Schlüssel. So sollte, wie wir finden, nicht nur der Austausch über Vorlieben und No-go´s stattfinden, sondern auch Gespräche über die unterschiedlichen Orgasmen Raum finden.
Denn dann, von One-Night-Stands mal abgesehen, besteht die Möglichkeit, dass die Signale beiden (bzw. allen Beteiligten) immer vertrauter werden und die Frage, ob wir zum Höhepunkt gekommen sind, seltener auftauchen wird.
Woran merkt Mann*Frau denn, dass Frau einen Orgasmus hatte?
Wir haben auch hier auf Instagram nachgefragt, woran die befragten Personen merken, dass Frau gerade gekommen ist. Die Antworten reichten von körperlichen Signalen wie eine feuchtere Vagina, rhythmisches Zucken des Unterleibs, über eine Spannungsänderung im gesamten Körper bis hin zum Atem, der kurz stillsteht.
Aber auch weniger physisch greifbare Antworten gab es. Dass sie sich für einen kurzen Moment nur sich selbst widmet und die Verbindung kurz abgebrochen zu sein scheint, sich die Energie zwischen den interagierenden Personen ändert oder die Energie im Austausch der Blicke greifbar zu sein scheint.
Auf welche Weise der Orgasmus am ehesten beim anderen wahrgenommen wird, ist daher wohl auch von Person zu Person unterschiedlich.
Ist Orgasmus gleichzusetzen mit befriedigendem Sex?
Hier fällt unsere Antwort deutlich klarer aus: Nein! Denn zum einen kann auch der Orgasmus selbst sehr unterschiedliche Emotionen mit sich bringen bzw. freisetzen.
Nehmen wir mal an, ihr seid gerade frisch getrennt und eigentlich noch eher in der Trauerphase, trefft euch aber mit jemandem weil ihr denkt, Ablenkung sei eine gute Idee. Ihr habt Sex und kommt zu Orgasmus. Dieser Orgasmus kann im Zweifel eher Emotionen, die mit der Trauer zu tun haben nach oben spülen als dass es ein tief befriedigendes Erlebnis sein muss.
Andererseits kann ein Abend voller heißer Spielereien, vielleicht mit Sex, aber ohne Orgasmus extrem befriedigend sein. Daher sind wir auch der Meinung, dass die von Masters und Johnson 1986 veröffentlichten Studienergebnisse, unter dem Namen „Human Sexual Response“, etwas irreführend sein können. Sie gehen davon aus, dass der Sexuelle Akt immer aus 4 Phasen besteht: Erregung, Plateau, Orgasmus und Entspannung.
Wir finden Sex kann auch ohne Höhepunkt äußerst befriedigend sein. Vielleicht ein Grund mehr, warum sich Männer weniger stressen sollten, wenn Frau nicht gekommen ist. Was nicht gleichzusetzen ist damit, dass es uns egal ist ob wir kommen oder nicht. Also auch hier gilt: „communication is key“. Um das noch mal etwas expliziter zu beschreiben: Wenn Mann kommt, ohne sich darum zu kümmern, dass Frau auch kommt, dann ist das wohl eine Art unterlassene Hilfeleistung. Wenn Frau aber irgendwann signalisiert, dass sie auch ohne zu kommen, gerade sehr glücklich und befriedigt ist, dann darf Mann das gern annehmen und sollte sich keine Gedanken darüber machen, dass er sie nicht zum Höhepunkt gebracht hat.
Unser Fazit
Ob wir Frauen kommen hängt oft mit weit mehr Komponenten zusammen, als der richtigen Art des Anfassens. Orgasmus ist ein Zusammenspiel von Körper und Geist. Daher spielt nicht nur die richtige körperliche Stimulation eine Rolle, sondern bei der Frau mehr als beim Mann auch die mentale bzw. psychische Komponente. Während der Mann eine Art „Point of no return“ kennt, nach dem der Orgasmus nicht mehr zurückzuhalten oder gar zu unterbrechen ist, kann bei uns Frauen die kleinste, gedankliche „Störung“ oder Veränderung der körperlichen Stimulation zum Abbruch der Erregung führen und somit auch den Orgasmus verhindern.
Eine offene Kommunikation und Gesprächsbereitschaft aller am Sex beteiligter Partner*innen kann also helfen, sich über die Vorlieben der*des anderen klar zu werden, aber auch die Hindernisse zu kennen. Dies kann Enttäuschungen zum einen Vorbeugen und zum anderen die Lust und den Spaß am Sex erhöhen.
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