Welche Herausforderungen aber auch Vorteile bringen Fernbeziehungen mit sich und wie könnt ihr eine glückliche Fernbeziehung führen?
Statistisch gesehen lebt heute jede*r achte von uns in einer Fernbeziehung. Die Gründe hierfür sind sehr unterschiedlich, vielleicht weil sich die Paare im Urlaub oder über das Internet kennengelernt haben oder aber, weil ein*e Beziehungspartner*in jobbedingt (für eine gewisse Zeit) in eine andere Stadt oder ein anderes Land zieht. Fernbeziehungen werden daher häufig nicht nur zwischen zwei Städten im selben Land geführt, sondern auch über Landesgrenzen und Kontinente hinweg.
Statistisch gesehen ist jede achte Beziehung heute eine Fernbeziehung.
Wir scheinen heutzutage viel eher gewillt zu sein für den Job umzuziehen, auch wenn der*die Partner*in nicht mitziehen kann. Während Paare in Städte-Fernbeziehungen oft noch von einer Wochenendbeziehung sprechen können, die sich dann nicht viel von der Beziehung anderer Paare unterscheidet, die nicht zusammen wohnen, ist das regelmäßige Zusammensein über größere Entfernungen oft schwieriger. Dies bringt Vor- und Nachteile mit sich, die wir hier einmal beleuchten möchten.
Geht eine Beziehung über Landesgrenzen oder auch Kontinente hinweg, dann kommt oft auch noch die Komponente der Zeitverschiebung dazu. Dadurch muss auch die Kommunikation noch einmal besser geplant werden, wenn es z. B. um Videotelefonate geht.
Dauer und Design von Fernbeziehungen
Je absehbarer der Zeitraum der Fernbeziehung, also z. B. für eine Entsendung ins Ausland im Rahmen eines Jobs, desto leichter kann die Zeit der Fernbeziehung ge-/ertragen werden. Im Schnitt überdauert eine Fernbeziehung 2 Jahre, danach folgen entweder Zusammenziehen oder Trennung. Es gibt aber auch Paare, die über Jahre hinweg in einer Fernbeziehung leben und für die es zur Normalität geworden ist.
Wie eine Fernbeziehung erlebt und auch gelebt wird, ist demnach sehr individuell. So verbringen manche Paare einfach ein paar Wochen am Stück zusammen und sind dann wieder für einige Wochen getrennt, während andere Wert darauf legen, sich zumindest jedes (zweite) Wochenende zu sehen.
Doch auch, wenn nach einer Zeit der Fernbeziehung Paare zusammenziehen, bedeutet dies nicht gleichzeitig eine Steigerung von Glück und Zufriedenheit in der Beziehung. Manche Paare müssen sich dann vielleicht auch eingestehen, dass das Leben in einer Fernbeziehung zwar nicht leicht war, jedoch besser funktioniert hat als die Alltagsbeziehung in einer gemeinsamen Wohnung.
Daher sollte auch der Schritt der Zusammenziehens bewusst geplant werden und das Paar sollte sich Zeit für den Übergang nehmen und im guten Kontakt über aufkommende Herausforderungen sein, sich vielleicht sogar von einem*einer Paarberater*in unterstützen lassen.
Besonders in Zeiten von Covid-19 ist wohl die ein oder andere Fernbeziehungen über Landesgrenzen und Kontinente hinweg besonders gefordert, denn zu den normalen Herausforderungen der Fernbeziehung kommt ein erhöhtes Maß an Unsicherheit, wann das nächste Wiedersehen aufgrund von Reiseverboten und Einreisebestimmungen überhaupt wieder möglich ist.
Wird in Fernbeziehungen mehr fremdgegangen?
Man könnte meinen, dass dies der Fall ist. Allerdings ist es eher umgekehrt, Paare in Fernbeziehungen sind einander häufig treuer. Und es gibt auch Paare, die gerade aufgrund der Entfernung eine offene Beziehung leben in der Zeit, in der sie sich nicht sehen können.
All dies sind jedoch Absprachen, die jedes Paar für sich trifft und vereinbart. Egal wie die Vereinbarung ist, an die sollten sich dann jedoch beide halten. Denn gerade in Fernbeziehungen sind Vertrauen und Ehrlichkeit Hauptpfeiler der Beziehung.
Welche Rolle spielen Sehnsucht und Eifersucht?
Sehnsucht ist wohl einer der Hauptmotivatoren in einer Fernbeziehung. Wenn die Sehnsucht nicht mehr vorhanden ist, sollte ein genauerer Blick auf die Beziehung als solche geworfen werden. Häufig ist es natürlich schwierig die Nähe und ein Gefühl von Zugehörigkeit auf die Entfernung herzustellen und wenn dies nicht gelingt, kann die Beziehung und damit auch die Sehnsucht entgleiten.
Frauen scheinen mit der Entfernung besser umgehen und dennoch emotionale Nähe zum*r Partner*in herstellen zu können als Männer (30% der Frauen stehen einer Fernbeziehung offen gegenüber, bei den Männern nur 12%). Diese benötigen für mehr emotionale Nähe oft mehr als Gespräche.
Bei einer Fernbeziehung kommt oft das Thema Eifersucht auf. Partner*innen in Fernbeziehungen haben nicht nur die Herausforderung nicht mit einander einschlafen und aufwachen zu können, sondern müssen auch damit zurechtkommen, dass der*die andere viele Menschen trifft, die der*die andere im Zweifel nie kennenlernt, dass es getrennte Freundeskreise sind und bleiben sowie neue Freunde dazukommen werden. Ist eine*r der Partner*innen besonders eifersüchtig, solltet ihr gemeinsam daran arbeiten mehr Vertrauen in der Beziehung herzustellen, denn auf Dauer kann ein zu hohes Maß an Eifersucht die Beziehung sehr negativ belasten.
Manchmal ist auch Selbstschutz eine gute Möglichkeit, wenn man selbst merkt, dass die Eifersucht so stark ist, dass es in Kontrolle ausartet.
Manchmal ist auch Selbstschutz eine gute Möglichkeit, wenn man selbst merkt, dass die Eifersucht so stark ist, dass es in Kontrolle ausartet. Dann könnt ihr vereinbaren z. B. auf Facebook nicht befreundet zu sein, damit ihr euch keine unnötigen Gedanken über neu dazukommende Freunde oder Kommentare machen müsst. Oder ihr könnt auf WhatsApp die Funktion, dass eine Nachricht gelesen wurde und wann der andere das letzte Mal online war deaktivieren. Dies bringt häufig schon mehr Seelenfrieden mit sich, natürlich nur dann, wenn die Eifersucht wirklich unbegründet ist.
Vor- und Nachteile einer Fernbeziehung
Keinen Alltag zusammen zu haben, kann Vor- als auch Nachteile haben. Auf der einen Seite ist ein gemeinsamer Alltag natürlich ein sehr verbindendes Element. Auf der anderen Seite entstehen aber im Alltag häufig Streitereien über Kleinigkeiten, die somit in einer Fernbeziehung wegfallen.
Ein weiterer Vorteil kann sein, dass der*die Partner*in nicht immer den eigenen Launen ausgesetzt ist. Man hat mehr Zeit für sich selbst, kann sich zurückziehen, wenn man gerade einmal Zeit für sich braucht und kann auch die Zeit für sich selbst mit Hobbys und Freunden verplanen ohne die Pläne des anderen damit zu torpedieren.
Zudem führt die räumliche Trennung dazu, dass gemeinsame Gespräche einen wichtigen Stellenwert einnehmen. Gerade in der anfänglichen Verliebtheitsphase verbringt man daher auf die Entfernung sicher mehr Zeit damit intensive Gespräche zu führen als sich mit der rosaroten Brille im Bett zu wälzen. Hierdurch lernt man sich, gerade wenn man sich eben erst frisch kennengelernt hat, sehr intensiv und gut kennen.
Manchmal führt das jedoch auch dazu, dass man schneller auf dem Boden der Tatsachen ankommt und feststellt, dass die Passung mit dem*der Partner*in doch nicht so groß ist wie anfangs gedacht. Was vielleicht etwas länger gedauert hätte, wenn die Phase des Kennenlernens nicht von einer großen Entfernung bestimmt gewesen wäre und man mehr Zeit mit dem Austausch von Körperflüssigkeiten verbracht hätte.
Eine weitere Herausforderung kann sein, dass immer wenn man sich dann wiedersieht und endlich in die Arme schließen kann, doch eine Art Entfremdung stattgefunden hat, die trotz großer Vorfreude erst einmal wieder überbrückt werden will. Manchmal geht es schnell sich wieder auf den*die Partner*in einzustellen, manchmal dauert es vielleicht ein Paar Stunden oder länger. Dieses Phänomen kann besonders dann auftreten, wenn viel Zeit zwischen den Wiedersehen vergeht, da man sich dann zumindest körperlich erstmal wieder aufeinander einstellen muss.
6 Tipps für eine gelingende Fernbeziehung:
1. Verlässliche Planung
Gerade über eine größere Distanz sollten Paare gut vorausplanen und sich aufeinander in dieser Planung verlassen können. Auch wenn ein Vorausplanen für den*die ein oder andere*n von euch anstrengend ist, wenn das Leben bisher eher spontan verlief, ist dieses verlässliche gemeinsame Planen, wann und wo man sich wiedersieht wichtig und führt zu einem stärkeren Gefühl von Verbundenheit und fördert das Vertrauen zueinander.
2. Gemeinsame Pläne für die Zukunft
Wohnt ihr so weit voneinander entfernt, dass es theoretisch möglich ist, sich jedes Wochenende zu sehen, sollte es zwischen euch klare und ehrliche Absprachen bzgl. der Wochenendplanung geben. Möchte der*die eine vielleicht mal ein Wochenende mit Freunden verplanen, sollte dies offen besprochen werden und nicht zu Unmut bei der*dem anderen führen müssen.
Noch wichtiger sind allerdings gemeinsame langfristige Pläne: Wann und wo ihr zusammenziehen möchtet, wie ihre euch generell die Zukunft vorstellt, wo ihr alt werden möchtet, wie der Hund aussieht, den ihr euch dann holt, den Namen eures Kindes aussuchen etc. Diese Pläne müssen nicht alle umgesetzt werden, doch es verbindet gemeinsame Pläne zu haben. Jedoch zählen Taten mehr als Worte, wenn also greifbare gemeinsame Pläne immer wieder verschoben werden, kann dies auch zu einem Knacks in der Beziehung führen. Phantasie und Umsetzung im gemeinsamen Leben sollte sich also die Waage halten.
3. Schafft euch gemeinsame Rituale
Schafft euch gemeinsame Rituale. Angefangen z. B. bei einer „Guten-Morgen-SMS“ bis hin zu dem „gemeinsamen“ Filmschauen am Wochenende. Jede Beziehung braucht Rituale und gerade in Fernbeziehungen sind sie wichtig und verbindend.
4. Kommunikation, Vertrauen und Ehrlichkeit
Wer kennt das nicht, schwierige Gespräche führt niemand gern, Fernbeziehung hin oder her. Die besondere Herausforderung bei einer Beziehung auf Distanz ist jedoch, dass wir nach schwierigen Gesprächen den*die andere*n nicht einfach in den Arm nehmen können und so auch noch einmal auf körperlicher Ebene unsere Nähe ausdrücken können.
Daher ist es so wichtig, gerade wenn es einmal schwierige oder traurige Gespräche sind, das Gespräch erst zu beenden, wenn beide wieder eine Verbindung zueinander gefunden haben und „fein“ miteinander sind oder zumindest beiden der weitere Verlauf klar ist. Das bedeutet nicht, dass immer alles geklärt ist am Ende eines solchen Gesprächs, aber es sollte ein Gefühl von „Ich bin ok, Du bist ok“ im virtuellen Raum schweben.
Es gibt wohl wenig Schlimmeres als in Gedanken den ganzen Tag bei der*dem anderen zu sein, weil man das Gefühl hat, da ist etwas nicht ausgesprochen, wird verheimlicht oder ist nicht ausreichend kommuniziert worden. Deshalb ist es gerade auf die Distanz wichtig, dieses Gefühl immer ansprechen zu können und offen und ehrlich über alles sprechen zu können.
5. Lernt auch das Alleinsein genießen
Genießt die Zeit die ihr allein für euch habt. Des einen Freud ist des anderen Leid. Zeit für sich wünschen sich wohl viele Paare, die (vielleicht auch noch mit Kindern) zusammenleben. Während sich Paare in Fernbeziehung wohl mehr Zeit mit dem*der Liebsten wünschen. Dennoch ist es wichtig, sich nicht von der Sehnsucht nach dem*der Partner*in bestimmen zu lassen, sondern Spaß am eigenen Leben zu haben und die Dinge zu tun, die Freude bereiten und das Leben schön machen. Denn auch das führt zu einer insgesamt erhöhten Zufriedenheit und stärkt das eigene Immunsystem.
6. Nähe auf Distanz herstellen
Last but not least, wie kann man denn nun Nähe auf Distanz herstellen? Wahrscheinlich befinden wir uns heutzutage schon in einer recht noblen Position was das betrifft. Nie zuvor war es so leicht mit dem*der anderen in Kontakt zu sein. Via Handy, Computer, SMS, Messenger, Videotelefonie etc. All diese Möglichkeiten sollten wir nutzen, um auch auf die Entfernung ein Gefühl von Näher herstellen und erhalten zu können.
Lasst einander an eurem Alltag teilhaben, durch ab und an ein Foto zu schicken, von dem, was ihr gerade macht oder wo ihr gerade seid. Sprecht regelmäßig, nicht nur über Sprachnachrichten miteinander und teilt einander eure Freuden und Sorgen mit.
Und ja, Solo-Sex vor dem Computerbildschirm ist nicht ideal und ersetzt natürlich nicht die Nähe, die ihr sonst hättet. Aber mal ehrlich, es ist besser als nichts, so vergesst ihr zumindest nicht wie euer*eure Partner*in aussieht und es kann auch ganz schön heiß dabei hergehen.
Photo by Maddi Bazzocco on Unsplash