Meditation und Sex haben vielleicht auf den ersten Blick eher nicht viel miteinander zu tun. Doch ein zweiter Blick lohnt sich durchaus, denn Meditation kann zu einem erfüllenderen und intensiveren sexuellen Erleben beitragen.
Meditation ist längst aus der Eso-Ecke raus und mitten in unserem Alltag angekommen. Ob im Gewand der Achtsamkeit verpackt oder als eigenständige Methode, die zu mehr Selbsterkenntnis führt. Selbst in den Führungsetagen großer Unternehmen ist Meditation heute ein gern gesehener Gast.
Meditation und Sex
Doch im Zusammenhang mit Sex taucht Meditation bisher nur selten auf. Klar, denn denken wir an Meditation, dann haben wir häufig gleich das Bild eines in sich versunkenen, still sitzenden Mönches vor uns. Das hat natürlich wenig mit den Bildern zu tun, die wir vor unserem geistigen Auge haben, wenn wir an Sex denken.
Daher möchten wir an dieser Stelle einmal näher hinsehen und haben für euch die Vorteile und den Mehrwert von Meditation in Zusammenhang mit Sex zusammengestellt.
1. Die Auswirkungen von Stress auf unseren Sex(ualtrieb)
Stress wirkt sich nicht nur negativ auf unser Immunsystem aus, ein ständig erhöhtes Stress-Level reduziert auch unsere Lust auf Sex sowie die Wahrscheinlichkeit zum Orgasmus zu kommen. Warum das so ist? Wenn wir gestresst sind, befinden sich unser Körper und Geist im Überlebensmodus. Das heißt alle Funktionen, die nicht für das direkte Überleben notwendig sind, werden runtergefahren und dazu zählt neben der Verdauung auch unser Sexualtrieb. Denn Fortpflanzung und Überlebenskampf funktionieren einfach nicht gleichzeitig und würden auch gleichzeitig einfach zu viel Energie benötigen.
Daher wird dann unser Sexualtrieb mal eben heruntergefahren bis stillgelegt. Kein Wunder also, dass wir in stressigen Zeiten, wenn unser Kopf voller Gedanken und vielleicht auch voller Sorgen ist, keine Lust auf Sex haben.
Regelmäßiges Meditieren, das bedeutet täglich mindestens 10 Minuten z. B. in Stille sitzen und auf den Atem fokussieren, kann dabei unterstützen das Stress-Level zu senken. Wenn unser Körper und Geist ruhiger werden, das Gedankenkarussel im Kopf langsamer wird, dann kommen wir aus dem Überlebensmodus zurück in das Gefühl von Sicherheit, das wir benötigen, um auch wieder Lust auf Sex zu haben.
Je feinfühliger wir unseren Körper wahrnehmen können, desto besser können wir natürlich auch beim Sex Berührungen spüren und auch bestimmte Körperbereiche wahrnehmen.
2. Unsere Körperwahrnehmung verbessern
Auch Meditation ist nicht gleich Meditation. Mit unterschiedlichen Arten der Meditation können wir unterschiedliche Bereiche verbessern. Während wir z. B. mit der Atemfokus-Meditation unsere Konzentration und Aufmerksamkeit schulen, kann der Body Scan helfen unsere Körperwahrnehmung zu verbessern.
Der Mehrwert sollte im Zusammenhang mit Sex recht klar sein. Je feinfühliger wir unseren Körper wahrnehmen können, desto besser können wir natürlich auch beim Sex Berührungen spüren und auch bestimmte Körperbereiche wahrnehmen.
Wir haben zwar eine bestimmte „Landkarte“ unseres Körpers im Gehirn abgespeichert, doch auch die kann sich zum Glück verändern und erweitern. Das wird nicht von jetzt auf gleich geschehen, aber durch regelmäßige Body Scans und das bewusste Erfühlen bestimmter Körperregionen wird sich diese „Landkarte“ verändern. Wodurch wir vielleicht mit der Zeit sogar ganz neue erogene Zonen entdecken oder entwickeln können.
Diese neue Körper-Landkarte kann uns dann zu mehr Spaß beim Solo-Sex und auch beim Sex mit der*dem Partner*in verhelfen. Zudem können wir dann auch viel genauer kommunizieren, wie wir wo berührt werden möchten.
3. Im Hier und Jetzt genießen
Als eines der Hauptziele der Meditation wird häufig eine Verbesserung der Aufmerksamkeit oder der Konzentration genannt. Doch auch Aufmerksamkeit ist nicht gleich Aufmerksamkeit. Sie kann in Form von Konzentration wahrgenommen werden, so hilft sie uns über längere Zeit bei einer Tätigkeit zu bleiben. Sie kann unter anderem aber auch helfen aufkommende, andere Reize auszublenden, damit wir bei dem bleiben können was wir gerade tun.
Durch regelmäßige Meditation können wir also zum einen lernen, unsere Aufmerksamkeit in Form der Konzentration zu verbessern. Wir lernen zum anderen aber auch neue Reize, die uns vielleicht von unserem Vorhaben uns zu konzentrieren abbringen könnten, wahrzunehmen und bewusst zu entscheiden, ob wir diesen Reizen nachgeben und ihnen folgen möchten.
Da denkt man kurz an das bevorstehende Gespräch mit der*dem schwierigen Mitarbeiter*in morgen und schon ist die Erregung im Keller oder die Erektion dahin.
In Zusammenhang mit Sex bedeutet das, dass wir durch Meditation das bewusste in dem Moment sein verbessern können. Wir können uns dann im Moment der körperlichen Verschmelzung voll und ganz auf diesen Moment einlassen und ihn wahrnehmen, können voll präsent mit uns und beim anderen sein.
Zudem können beim Sex aufkommende Reize von innen, z. B. Gedanken oder von außen, z. B. Geräusche unsere Erregung empfindlich stören. Da denkt man kurz an das bevorstehende Gespräch mit der*dem schwierigen Mitarbeiter*in morgen und schon ist die Erregung im Keller oder die Erektion dahin. Vielleicht ist es auch der Postbote, der nicht aufhört zu klingeln, genau dann, wenn wir kurz davor sind zum Orgasmus zu kommen.
Durch Meditation lernen wir unsere Gedanken und unsere Aufmerksamkeit zu steuern. Somit können wir auch beim Sex mehr und mehr entscheiden, ob wir uns von unnötigen Gedanken oder Reizen im Außen ablenken lassen, oder ob wir vollkommen in diesem Moment bleiben und ihn mit allen Sinnen auskosten.
4. Unsere eigene Bedürfnisse kennenlernen
Wir sprechen bei Vitamin FEM häufig darüber, wie wichtig Kommunikation ist. Wie wichtig es ist uns, unsere Bedürfnisse und Wünsche mitzuteilen. Doch das geht natürlich nur, wenn wir uns selbst verstehen und kennen. Emotionen können wir nur benennen, wenn wir gelernt haben sie wahrzunehmen und auch in Worte zu fassen. Und auch das empathische Wahrnehmen des Gegenübers und das in Worte fassen, was wir wahrnehmen klappt nur, wenn wir uns darauf einlassen es zu spüren und eine Verbindung zum Gegenüber besteht, die dies zulässt.
Über Meditation lernen wir stillzustehen, bei den angenehmen und auch unangenehmen Emotionen, die während einer Meditation aufkommen können. Wir lernen, dass sie da sind und auch, dass wir nicht unsere Emotionen sind sowie, dass sie (aus)gehalten werden können und sich verändern dürfen.
Da wir in der Meditation nicht in unserem alltäglichen Denken feststecken, sondern auch Raum geben für neue Ideen, Empfindungen und Impulse, kommen vielleicht in der Meditation auch neue Bedürfnisse und Wünsche in Zusammenhang mit der eigenen Sexualität auf, die genauer angeschaut werden möchten. Möglicherweise haben wir diese bisher unterdrückt, aus Gründen wie innerer Glaubenssätze oder auch gesellschaftlicher Vorgaben und Ansichten. Dann aber wird es höchste Zeit diesen Phantasien und Wünschen einmal den Raum zu geben, dass wir sie neutral erforschen können, um zu erkennen, ob sie Phantasie bleiben werden oder zu einem Wunsch werden, den wir umsetzen möchten.
5. In Verbindung gehen können
Durch Mitgefühl-Meditationen gehen wir von der Verbindung zu uns zur Verbindung mit anderen. Wir fördern das Mitgefühl uns selbst gegenüber, aber auch das Mitgefühl anderen gegenüber. Dadurch, dass wir lernen uns selbst liebevoll anzunehmen, fühlen wir uns wohler in und mit uns selbst. Dadurch können wir auch mit mehr Selbstsicherheit im Kontakt mit unserem Gegenüber sein. Gerade beim Sex ist es viel schöner den Moment voll und ganz genießen zu können, statt sich Gedanken darüber zu machen, ob wir gerade ein, zwei Pfunde zu viel auf den Rippen haben.
Können wir unserem Gegenüber mit Empathie und Mitgefühl begegnen, sind wir auch offener für die Wünsche und Bedürfnisse des*der anderen.
Wenn wir uns selbst annehmen und in Balance sind, können wir auch mit der Person gegenüber besser in Kontakt sein. Wir können uns mit ihm*ihr verbinden ohne Schutzmauern aufrecht zu erhalten, was wiederum zu einem intensiveren Erleben führt. Können wir unserem Gegenüber mit Empathie und Mitgefühl begegnen, sind wir auch offener für die Wünsche und Bedürfnisse des*der anderen. Das offene und ehrliche Kommunizieren der eigenen Wünsche und Bedürfnisse wiederum stärkt die Verbindung mit der anderen Person.
6. Meditation & Sex: eine Übung
Meditation ist eine Sache, in die wir regelmäßig investieren müssen, um Veränderungen zu sehen. Dies können wir unabhängig von der*dem Partner*in realisieren. Doch es gibt natürlich auch die Möglichkeit Meditation direkt an den Sex und den*die Partner*in zu koppeln.
Diese Übung ist nichts für die Momente in denen ihr so heiß aufeinander seid, dass ihr gleich und unmittelbar übereinander herfallen möchtet. In dem Falle ignoriert diese Übung bitte und gebt eurem Verlangen nach!
Solltet ihr jedoch Lust auf einen Moment der nicht nur körperlichen Verbindung haben und euer Verlangen gerade noch im Zaum halten können, dann probiert einmal folgende Übung aus:
- Nehmt euch einige Minuten Zeit und Ruhe für diese Übung
- Setzt euch (gern bereits nackt) z. B. auf dem Bett einander gegenüber, so dass sich eure Knie im Schneidersitz berühren und ihr euch auch an den Händen halten könnt.
- Seht euch ein paar Sekunden in die Augen und dann schließt die Augen.
- Fokussiert eure Aufmerksamkeit erst einmal auf eure eigene Atmung. Spürt das Heben und Senken des Bauchraums und der Brust. Nach einigen Atemzügen werdet ihr merken, dass sich euer Körper mehr und mehr entspannt und eure Atmung länger und ruhiger wird.
- Dann beginnt mit der Wechselatmung. Das bedeutet, während einer von euch einatmet, atmet der*die andere aus. Ihr könnt euch dabei auch vorstellen, dass der Ausatem durch die Verbindung der Hände zum Gegenüber fließt und zurück zu euch fließt. Dann atmet ihr wieder bei euch ein und schickt den Ausatem wieder zum Gegenüber. Als würdet ihr im Kreis atmen.
- Nach einigen Minuten in dieser Atmung öffnet eure Augen und seht euch in die Augen. Nehmt die Verbindung wahr, die ihr durch das gemeinsame Atmen aufgebaut und verstärkt habt. Nehmt die Präsenz des*der anderen vor euch wahr. Lasst euren Blick sanft werden, indem ihr euer Gegenüber leicht anlächelt.
- Beginnt euer Gegenüber zu berühren. Ganz intuitiv dort, wo ihr spürt, dass euer Gegenüber sich die Berührung wünscht.
- Und dann gebt eurem Gefühl und Verlangen nach, alles kann, nichts muss.
Photo by Jared Rice on Unsplash