Nur wer „open-minded“ ist, kann die Welt aus vielen verschiedenen Perspektiven wahrnehmen. Aber „open-minded“?! Was bedeutet das eigentlich?!
Offen, aufgeschlossen ist die deutsche Übersetzung, aber die meisten von uns sprechen tatsächlich von open-minded, wenn sie von bzw. über Menschen reden, denen sie das Attribut von Aufgeschlossenheit zuschreiben. Klingt besser, passt mehr in unsere globalisierte, flexible Welt, in der Anglizismen ein Ausdruck von Coolness und Bildung sind.
Offen und aufgeschlossen klingt erst einmal begehrens- und erstrebenswert. Wer möchte schon als das Gegenteil, verschlossen und engstirnig, angesehen werden?! Wir leben in einer Gesellschaft, in der Offenheit gegenüber neuen Dingen und Erfahrungen für viele ein Zeichen von Lebensfreude und Attraktivität ist!
Sexuell offen – was heißt das?
Doch wird Offenheit auch dann als attraktiv angesehen, wenn es um das Thema Sex geht?! Bewundern wir Menschen, die sich als sexuell offen bezeichnen?! Macht es diese besonders attraktiv?! Möchten wir auch gerne so sein?! Oder ist genau das Gegenteil der Fall: Werten wir diese Menschen eher ab?! Macht es sie für uns unattraktiv, weil wir annehmen, dass sie viele unterschiedliche Sexpartner hatten oder haben?! Ist sexuell offen gleichbedeutend mit Promiskuität?! Und möchten wir uns daher lieber von diesen Menschen abgrenzen?!
Only the open-minded get to experience the world from many perspectives.
Die Frage ist, was jede*r Einzelne von uns unter sexuell offen versteht. Ist ein sexuell offener Mensch ein Mensch,
- der kein Problem damit hat, über seine Sexualität oder Sexualität im Allgemeinen zu sprechen
- gerne unterschiedliche sexuelle Praktiken ausprobiert
- der gerne Sex mit unterschiedlichen Partnern hat?
Oder ist ein solcher Mensch eine Mischung aus allen drei Aspekten?!
Promiskuität
Unter diesem Begriff versteht man laut Duden Geschlechtsverkehr mit beliebigen, häufig wechselnden Partner*innen oder parallel mit mehreren Partnern*innen. Promiskuitiv steht daher auch für sexuell freizügig oder offenherzig. Ein promiskuitiver Mensch ist demnach unserer Ansicht nach auf jeden Fall sexuell offen bzw. um bei dem Terminus zu bleiben open-minded. Aber für uns sind auch die beiden anderen genannten Aspekte Ausdruck von sexueller Offenheit.
Sex Talk
Es gibt Menschen, denen es äußerst unangenehm ist, über Sex und artverwandte Themen zu sprechen. Das kann sehr unterschiedliche Gründe haben. Oftmals hat es etwas mit der Erziehung zu tun, die wir genossen haben, aber auch mit den Kreisen, in denen wir uns bewegen. In konservativen und vielleicht sogar streng religiösen Kreisen ist es beispielsweise nicht nur verpönt, sondern eventuell sogar moralisch verwerflich und somit quasi verboten, offen über das Thema Sexualität zu sprechen. Dies muss nicht heißen, dass die Menschen, die in solchen Kreisen verkehren, keinen Sex haben und sich diesbezüglich nicht auch in viele Richtungen ausprobieren. Es bedeutet lediglich, dass sie es nicht öffentlich zum Thema machen. Anderen Menschen fällt es wiederum gar nicht schwer, über ihre sexuellen Vorlieben zu sprechen. Vielleicht verstehen sie es sogar ein wenig als ihren Auftrag, um ein an sich natürliches Thema zu (re)enttabuisieren.
Sexuelle Experimentierfreude
Auch wer grundsätzlich gern seinen sexuellen Hintergrund erweitert und daher erst einmal keine Erfahrung für sich ausschließt, wird wohl als sexuell offen bezeichnet bzw. angesehen. Oftmals werden dies Menschen sein, die auch in anderen Lebensbereichen eher open-minded unterwegs sind, immer auf der Suche nach einem neuen Kick, einer bewusstseinserweiternden und/oder körperlich grenzerweiternden Erfahrung, einer Inspiration, die den eigenen Horizont erweitert. Wer dagegen eher nicht so experimentierfreudig ist, dem macht die Vielfalt an unterschiedlich gelebter Sexualität und an Sexpraktiken vielleicht eher Angst. Oder aber diese wird als abstoßend empfunden.
Wie open-minded sind wir?! – Eine Ansichtssache?!
Jeder Mensch ist unterschiedlich, auch in Hinblick auf den eigenen Umgang mit Sexualität. Wo sich ein Mensch vielleicht schon als sehr offen begreift, da würde ein anderer vielleicht noch von Verklemmtheit sprechen. Und umgekehrt kann ein sehr offensiver, aber als normal empfundener Umgang mit Sexualität von Anderen bereits als extrem oder gar abnorm angesehen werden. Daher ist es wenig sinnvoll, hier gegenseitig Bewertungen vorzunehmen. Am Ende des Tages ist es alles eine Definitionssache bzw. eine Frage der persönlichen Vorlieben. Dennoch stimmt das eingangs angeführte Zitat für uns insofern in jedem Fall, als dass es ein gewisses Maß an Aufgeschlossenheit und Neugier braucht, um die Welt auf viele verschiedene Arten und Weisen kennen zu lernen. Auch die große, weite Welt des Sex.
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